Autor: Heinz-Jürgen Althoff 
Medium: www.management-praxis.de
Datum: 17.03.2015

2014 war für die deutsche Automobilindustrie ein Rekordjahr. Doch der Wettbewerb wird immer härter, Hersteller müssen mit attraktiveren Produkten und Preisen punkten. Auch für Zulieferer bedeutet das, ihre Produkte zu optimieren und intelligente Problemlösungen zu entwickeln – trotz steigender Kosten für Personal und Material. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Zusammenarbeit.

Es ist eine Beziehung mit Komplikationen. Nur in den seltensten Fällen verläuft die Zusammenarbeit zwischen Abnehmer-Unternehmen und Lieferant reibungslos – auch in anderen Branchen als der Automobilindustrie. Täglich haben die Unternehmen mit Missverständnissen zu kämpfen, die den Arbeitsfluss beeinträchtigen und im Ernstfall Geschäftsbeziehungen zerstören. Die technischen Schwierigkeiten sind in der Regel schnell aus der Welt geschafft.

Welten prallen aufeinander

Die meisten Probleme entstehen durch Missverständnisse in der Kommunikation oder unterschiedliche Arbeitsweisen bzw. Unternehmenskulturen: Hersteller sind in der Regel Konzerne mit komplexen Strukturen und genau festgelegten Arbeitsschritten, alles wird sauber geplant und dokumentiert. Dies ist auch eine Notwendigkeit, da ansonsten bei der Vielzahl von Mitarbeitern Informationen verloren gingen. Lieferanten hingegen sind mittelständisch geprägt mit flacheren Hierarchien und weniger Bürokratie, vieles läuft über den persönlichen Kontakt.

Treffen diese gegensätzlichen Arbeitsweisen und Kulturen aufeinander, sind Schwierigkeiten vorprogrammiert. Schaffen es aber Hersteller und Lieferant, partnerschaftlich auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, werden beide effizienter – und erfolgreicher.

Praxistipps für ein konstruktives Miteinander:

Setzen Sie einen unparteiischen Mittler / Projektleiter ein

Am besten eignet sich dafür ein externer Experte, der zwischen beiden Unternehmen vermitteln kann. Falls die Stelle intern vergeben werden soll, wählen Sie einen Mitarbeiter aus einer Abteilung, die am Projekt nicht beteiligt ist, und der somit unbelastet die Aufgabe angehen kann. Der Projektleiter sollte sich immer vor Ort beim Lieferanten ein Bild der Lage machen und mit allen Beteiligten, nicht nur den Führungskräften, das Gespräch suchen – von der Produktion über die Logistik bis hin zum Vertrieb. Dafür benötigt er neben technischem Wissen vor allem ein feines Gespür für Menschen.

Beziehen Sie alle Mitarbeiter ein

In der Regel suchen Projektleiter Kontakt zu Mitarbeitern, die sich aktiv zu Wort melden. Achten Sie in Gesprächen auch auf Mitarbeiter, die sich an Diskussionen nicht beteiligen, denn gerade die „Stillen“ verstehen Details und Zusammenhänge besser und haben oftmals hervorragende Ideen. Ebenso sollten „Nörgler“ nicht ignoriert werden. Kein Unternehmen kann es sich leisten, Wissen und Engagement zu verschenken.

Begeben Sie sich auf Augenhöhe

Stellen Sie sich vor, ein leitender Angestellter möchte echte, ungefilterte Informationen und erscheint in der Montagehalle im Anzug – ohne Arbeitsschuhe und vorgeschriebene Schutzkleidung. Wird er mit seinem Vorhaben erfolgreich sein? Wohl kaum. Denn die Produktionsmitarbeiter sind wahrscheinlich irritiert: „Wieso darf er das und ich nicht? Ist er etwas Besseres?“. Ein ehrlicher Austausch ist so kaum möglich.

Deshalb gilt: Erzeugen Sie Vertrauen. Nur wenn Menschen sich angenommen und respektiert fühlen, erzählen sie, was sie wirklich denken, wo sie Probleme und deren Ursachen sehen und was zu verbessern wäre. Dazu müssen Projektleiter und Verantwortliche Regeln einhalten – auch Vorschriften bei der Arbeitskleidung.

Bleiben Sie authentisch

Verkleiden Sie sich nicht! Wenn Sie privat keine Jeans und Turnschuhe tragen, tun Sie es auch beruflich nicht! Denn Mitarbeiter beobachten genau – und erkennen, wer authentisch in Auftreten und Verhalten ist und wer nicht. Dazu ein Beispiel aus der Praxis:

Der Chefingenieur eines Automobilherstellers war eher konservativ und immer in Anzug und Krawatte unterwegs, auch wenn die Entwicklungsabteilungen einen legereren Stil pflegten. Eines Tages erschien er zu einer Versuchsfahrt in nagelneuen Jeans und Sneakers. Die Manager des Zulieferers trugen sportliche, aber nicht neue Kleidung, manche sogar einen Blaumann. Das Resultat: Viele Mitarbeiter des Herstellers hielten ihren Spott nicht verborgen – vor den Lieferanten. Die Autorität des Chefingenieurs war nicht nur im eigenen Hause untergraben, auch Lieferanten sprachen ihn als Kontakt für Lösungsvorschläge kaum noch an.

Über den Autor:

Dr. Heinz-Jürgen Althoff übernimmt als Interim Manager komplexe Projekte und Extremsituationen weltweit. Seit über 25 Jahren ist der „Sozialarbeiter für Ingenieure“ bei internationalen Konzernen und Mittelständlern tätig und hilft, Schnittstellenproblemen mit Kunden und Lieferanten zu lösen; unter anderem unterstützt er technikorientierte Ingenieure, die zwischenmenschliche Komponente in die Zusammenarbeit mit Kollegen und externen Partnern einzubeziehen. Seine Branchenschwerpunkte sind das produzierende Gewerbe und die Automobilzuliefererindustrie.

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