Man hört heute ständig, die Zahlen seien ja wieder so niedrig. Inzwischen steigen sie wieder, aber nur ein bisschen. Also müsse man lockern, was immer das heißen mag. Stimmt das?

Oder hängt das damit zusammen, dass Viele mit dem Kauderwelsch der Ingenieure und (Natur-) Wissenschaftler nichts anfangen können? Ich meine ja, und das reicht vom Mann auf der Straße bis hin in die höchsten Kreise Gesellschaft, der Politik, Kunst, Medien und sogar Ökonomie. Schließlich ist es ja Zeitgeist, sich mit seinen mäßigen Schulerfolgen in Mathematik und Physik geradezu zu brüsten.

Und Das im Land des Maschinenbaus.

Ingenieure (das sind auch Naturwissenschaftler, aber solche, die die Naturwissenschaften schamlos ausnutzen, um ihre Ziele zu erreichen. Ts, ts, ts!) und Naturwissenschaftler selbst (die sind einfach nur neugierig) sind zwar immer gut genug dafür, Autos, Handys, Fachbildschirme und all die schönen Produkte und Maschinen zu konstruieren, die die Produkte erschwinglich machen. Jeder findet sie toll und begehrenswert, rackert sich krumm und gibt sein sauer verdientes Geld aus. Andere heilen als Ärzte = Gesundheitsingenieure Menschen. Findet man auch eher gut.

Es gibt also fast nichts im modernen Leben, das nicht unter Berücksichtigung der Naturgesetze ersonnen wurde, Kunst und Kultur einmal ausgenommen. Aber auch Künstler nutzen sie, und menschliche Gehirne folgen Naturgesetzen.
Auffallend allerdings: Sobald Naturwissenschaftler auf einmal unbequeme Sachen sagen, sind sie Nerds oder haben keine Ahnung. Theoretiker halt wie z. B. der immer pessimistische Herr Lauterbach. Was soll man mit denen im realen Leben bloß anfangen?
Es wurde gar schon vorgeschlagen, anstatt der Wissenschaft besser dem gesunden Menschenverstand zu folgen!

Wie meine Kollegen fühle ich mich ziemlich herabgewürdigt, diskriminiert und missbraucht. Autos ja und Heizungen, aber keine unangenehmen Wahrheiten. Daher haben sich die meisten Kollegen längst aus der öffentlichen Diskussion ausgeklinkt. Ich nicht, also muss ich Sarkasmus, Belehrungen und das abfällige Belächeln in Kauf nehmen. Als Überzeugungstäter tue es das.

Gegenvorschlag: Wissenschaftler und Ingenieure übersetzen ihr Kauderwelsch für die Öffentlichkeit und sprechen verständlich. Das wollen die meisten aber leider nicht, denn es käme heraus, wie simpel die Natur funktioniert, wenn man die Zusammenhänge versteht. Oder sie können es nicht bzw. wissen gar nicht, dass sie es überhaupt müssen. Weil es für uns so furchtbar trivial ist. Merkel inklusive.

Nach meiner Beobachtung gibt es grob drei „Jargons“, die sich deutlich unterscheiden:

I Der Wissenschaftler

Wissenschaftler zumindest haben gelernt, dass Meinungsfreiheit bei beweisbaren Fakten, speziell den Naturgesetzen aufhört. Das ist die Wirkung der Aufklärung. Sie streben harte Fakten an und kommunizieren nach dem folgenden Modell: Wenn etwas nicht zu 100% bewiesen ist, ist von 0% auszugehen. Selbst wenn es mathematisch bewiesen oder logisch ist, dass es mehr sind als 0%, vielleicht dass es sogar 80% oder 99,9. Es zählt nur der stichhaltige praktische Beweis. Das ist die Regel der Wissenschaft, denn: Selbstverständlich sind 0% völlig unbefriedigend und gerade deshalb sind unverzüglich mehr Erkenntnisse zu beschaffen. Bei 80% könnte man ja zufrieden sein und aufhören.
Also formuliert der Wissenschaftler eine begründete Idee, nennt sie Hypothese und tut so, als sei sie 100% korrekt. Er selbst und Kollegen stürzen sich drauf, zu beweisen, dass sie richtig oder aber falsch ist. Irgendwann kommt dieser Gegenbeweis oder eben nicht. Kommt er, folgt eine neue Hypothese. Dieses Wechselspiel bleibt solange, bis man keinen Gegenbeweis mehr findet. Dann hat man die 100%. Und auf einmal Co-Autoren für einen Artikel, der vorher in der Öffentlichkeit als Kritiker der Vorversion aufgefallen war.
Die Kugelgestalt der Erde, die Ablenkung des Lichts durch Gravitation, Schwarze Löcher, das Higgs-Bosom, Gravitationswellen usw. waren zwar lange nicht bewiesen.. Also wurden sündhaft teure Apparaturen gebaut zum Beweis, denn: Aber sie waren mathematisch vorhergesagt, die Hypothese war wahrscheinlich genug.

So funktioniert Wissenschaft. Es kommt nicht darauf an, wer wen kritisiert oder wer gewinnt, allein auf den gemeinsamen Erkenntnisgewinn.

Für alle, die sich auf dieses Modell geeinigt haben, ist das völlig in Ordnung und so klar, dass sie keine Worte darüber verlieren. Sie denken nicht einmal daran, dass andere das nicht verstehen.

Alle anderen, denen dieses Modell nicht in Fleisch und Blut übergegangen ist, werden allerdings verwirrt, nehmen Streit und Durcheinander wahr anstatt eines geregelten Vorgangs.

Babylonische Sprachverwirrung.

Diese von der Sprachregelung in manchen Kreisen zur Verhaltensweise mutierte Art ist eine sehr, sehr deutsche übrigens und allzu weit verbreitet in Verwaltungen und auch in der deutschen Großindustrie. Zum Beispiel handeln so schlechte Manager und auch schlechte Ingenieure, die ewigen Bedenkenträger. Die wollen ebenfalls 100%ige Sicherheit, ja, sie verhöhnen Leute, die sich an der dritten Stelle hinter dem Komma verrechnen. Aber sie suchen keinen Erfolg, sie vermeiden Misserfolg aus Angst vor dem Risiko.
Wer nix macht, macht auch nix verkehrt. Aber: Wer nicht wagt, kann auch nicht gewinnen.

Ib Der sachorientierte Praktiker:

Ingenieure/Techniker wissen ebenfalls demütig, dass nicht erfolgreich gegen die Naturgesetze gehandelt werden kann. Gottseidank! Stellen Sie sich mal vor, auf einmal wäre das Ohmsche Gesetz außer Kraft oder das Wasser flösse bergauf! Kein technisches Gerät würde mehr funktionieren, jeder Reparaturversuch des Autos wäre zum Scheitern verurteilt.
Aber sie müssen wie Manager und Reisende, ja wie jeder Mensch in bedrohlichen Situationen handeln. Ob sie etwas genau wissen oder nicht. Sie müssen auf Basis unscharfer Fakten die beste Lösung finden. Nichtstun ist keine Option.
Wenn sie etwas nicht hundertprozentig wissen, die Hypothese allerdings plausibel ist, rechnen sie die wahrscheinlichste Lösung aus, machen sie einen Sicherheitszuschlag, probieren und prüfen das Ergebnis ständig nach. Dadurch können sie sofort nach bestem Wissen und Gewissen handeln, aber Ihr Wissen und ihre Sicherheit nach und nach steigern.

Sie müssen mit einem Restrisiko leben, aber es unter Kontrolle halten. Wer nicht wagt, hat schon verloren. Gäbe es sonst Messer, Schiffe, Bergbau, Atomkraftwerke, Autos…? Alles Dinge mit Restrisiken, die wir gerne nutzen. Wir akzeptieren dabei die Toten im Straßenverkehr. Nur wer nichts macht, macht nichts verkehrt.

Zu beachten: Der Unterschied in der Denkweise von Wissenschaft und Technik ist weit geringer als in ihrer Kommunikation! Wissenschaftler und Ingenieure arbeiten beide ständig an der Verbesserung ihres Wissensstandes. Dazu haben Ingenieure Naturwissenschaft gelernt und nutzen ihre Ergebnisse. Daher verstehen sie den Jargon der Wissenschaft und übersetzen ihn für ihre Zwecke. Nur formulieren sie anders, positiver und riskanter. Weil sie müssen.

Anerkanntermaßen ist das auch die Denkweise aus dem Silicon Valley: Ich fang mal an und schaue unterwegs, wie ich meine Pläne anpasse. Microsoft, Apple und Facebook entstanden in der Garage, vorerst ohne hochfliegende Pläne.
Auch jeder eigenverantwortlich Reisende macht das so. Ich selbst bin 500.000 km auf dem Motorrad durch Europa, Südamerika und Indien gefahren. Selbst geplant und ganz alleine oder selbst als Reiseleiter. Die Reifenpanne in der argentinischen Pampa konnte ich nur durch Improvisieren lösen, es gab weder einen ADAC noch einen Laden in 2000 km Umkreis.
Jeder Mensch in weniger sicheren Gesellschaften kann gar nicht anders. Fahren Sie mal alleine nach Indien. Nichts ist sicher da außer dem Tod, denn wenn es einen Krankenwagen gäbe, würden Sie darin an einer simplen Blinddarmentzündung im Stau sterben. Oder daran, dass auf dem Land gerade kein Arzt im Krankenhaus ist. Selbst (üb)erlebt. Ausspruch eines Kollegen: „They drive you directly to the graveyard!” Nix für den sicherheitsgewohnten Westeuropäer.

II Der menschenorientierte Praktiker

Kleine, aber laute Teile Bevölkerung haben die Meinungsfreiheit auch längst auf die Faktenfreiheit ausgeweitet. Genauso wie die eigene Freiheit, die für manche noch nicht einmal mehr an der Freiheit des Mitmenschen endet. Meine Freiheit ist es folglich auch, fahrlässig andere Menschen anzustecken. Meine körperliche Unversehrtheit ist mehr wert als die des Anderen. Zeitgeist.

Daher müssen Politiker und Medien reden nach dem Motto: Selbst, wenn ich etwas zu 100% weiß, kann ich nicht sicher sein, dass es verstanden wird und durchsetzbar ist. Das ist mein einziges Kriterium, denn wer kann schon den Zeitgeist ändern?
Also verhandeln sie solange, bis sie genügend Zustimmung haben. Vor allem achten sie darauf, schreiende Minderheiten nicht gegen sich aufzubringen, auch das sind Wähler. Dazu muss ich verhandeln, reden, Mehrheiten finden, kurz und gut, für sie günstige Emotionen zu erzeugen. Denn der Mensch handelt nicht rational.

Dumm nur, dass COVID nicht mit sich handeln lässt!

Die Idee, den Leuten zu ihrer Rettung die unbequemen Fakten näher zu bringen, kommt den meisten Politikern leider nicht. Es könnte ja sein, dass man sie ihnen nicht abnimmt, was unmittelbar zum persönlichen Misserfolg, gar zum Verlust der Existenz führt. Als Beispiel mag das öffentliche Ansehen von Karl Lauterbach und die Überzeugungskraft von Frau Merkel in diesem Punkt dienen, selbst der unermüdliche Prof. Dr.  Harald Lesch wird angegriffen, sogar aus den eigenen Reihen oft wegen Fehlern an der dritten Stelle hinter dem Komma.
Man kann es den Politikern noch nicht einmal übelnehmen, sie haben es in den letzten 70 Jahren steigenden Wohlstands nicht gemusst. Die wenigen lokalen Naturkatastrophen waren offensichtlich und konnten mit Geld schnell repariert werden.
Vielmehr sind sie dazu erzogen, im politischen Wettbewerb und der Einschaltquoten wegen der Zustimmung möglichst vieler Menschen zu erringen, egal, welchen Bildungs- und Meinungsstandes. Und der könnte aus Sicht der Naturwissenschaftler zweifellos besser sein! Ein echtes Dilemma.

Kommt das bekannt vor? Jeder denkt, redet und handelt in dem Jargon seiner Welt und behauptet, die anderen verstehen nichts von ihren Problemen. Wie den auch in dieser geradezu babylonischen Sprachverwirrung??? Aber die Kommunikationsweise des Anderen verstehen zu wollen, setzt voraus, dass einem das Problem überhaupt bewusst ist.

Nur ein kleines Beispiel: Das anfängliche Missverständnis, dass Masken angeblich nicht wirken. Es war die Aussage von Wissenschaftlern, genauer gesagt, Virologen. Automatisch 0%, da nicht bewiesen. Virologen zudem verstehen zwar etwas von Viren, also Microbiologie, nicht aber zwingend was vom Zusammenspiel von Aerodynamik, Anziehungskräften zwischen Wassertöpfchen und Baumwollstoff uvm.. Also müssen sie erst forschen. Oder Epidemiologien (vielleicht) und Techniker verschiedenster Disziplinen fragen, was mit dem Mikrofon im Gesicht nicht immer so einfach ist.
Der Ingenieur und ganz Asien dagegen haben gesagt: Sie wirken zweifellos, aber nicht zu 100%. Wir kennen noch nicht einmal die Zahl. Also fangen wir damit an, lernen und finden Besseres.

Die Öffentlichkeit war durcheinander: Wie? Erst unwirksam, dann plötzlich doch? Visiere, Halstücher medizinische Masken auch noch verschieden in Eigen- und Fremdschutz??? Hilfeee! Wie soll ich Das rüberbringen?

Also sagten Einige wenige laut: Masken nerven. Ihre Wirksamkeit ist umstritten, also wirken sie nicht. Also weigere ich mich. Eine Frage von Dummheit? Sicher nicht, die Ursache war die falsche Übersetzung Wissenschaftleraussagen.

Nun ist dieselbe Diskussion über Luftfilter, Schnelltests und neuerdings über den Impfstoff von Astra-Zeneca entbrannt:
Ein Wissenschaftler sagt in seiner Welt völlig richtig, man habe diese oder jene Zahl ermittelt.  Im Vergleich niedriger, absolut immer noch Top. Das sagt er aber erstmal nicht dazu, weil er glaubt, das sei verstanden.
Die Öffentlichkeit der Politiker und Medien versteht entsprechend dem eigenen Modell aber nur, dass die eine Zahl auf dem Papier deutlich niedriger ist als die andere. Also nicht perfekt = schlecht. Entgegen allen nachprüfbaren Messergebnissen von derjenigen, die sich damit auskennen.
So werden Aussagen falsch verstanden und gehen in die öffentliche Meinung über. Was furchtbare Konsequenzen hat:

Anstatt Luftfilter einzusetzen und die Außenrestauration zu öffnen, schickt die Politik das Land in den halben Lockdown. Mut regeln, die sich eher aus dem Gefühl ergeben als aus der Natur.
Man empfiehlt man den Leuten, zuhause zu bleiben. In einem Zuhause ohne Hygienekonzept, siehe: COVID-19: „Nicht die AusgangsSPERRE ist die Lösung, sondern die AusgangsPFLICHT“. Man steckt sie gleichzeitig in öffentliche Verkehrsmittel und stundenlang in halbherzig belüftete Büros. Auf die Restaurantterrasse darf man dagegen nicht!
Schnelltests werden nicht angewandt, weil ja mal einer einen Fehler machen könnte. Gute Impfstoffe werden verschmäht, weil es angeblich bessere gibt. Weil man immer gleich perfekt sein will anstatt besser als heute.

Zum Schreien komisch eigentlich. Aber leider tödlich und nebenbei ökonomisch nicht clever. Aber da ja alle (im Westen) genauso handeln, ist es die sicherste Lösung.
Dass man die naturgemäße Lösung längst mathematisch bewiesen hat, ist irrelevant, denn Mathematik ist nur für den mathematisch Geschulten ein Beweis. Daher ist sie nicht durchsetzbar, auch nicht bei Politikern und Journalisten.
Außer in Australien, Neuseeland und fast ganz Asien.
Einen Kommentar zum preußisch-pietistischen Ansatz, dass Wirtschaft wichtig ist und Freizeit zu warten hat, verkneife ich mir. Deutsche leben, um zu arbeiten. Das ist unser Erfolgsrezept. Die Franzosen bunkern Wein und Kondome. Leben.

Die Moral von der Geschicht:  Wenn Sie etwas hören oder lesen, müssen Sie herausfinden, aus welcher Schule der Autor kommt und es sich übersetzen! „Wir wissen es nicht“ mag 80% reelle Chance bedeuten, „wir sind überzeugt“ aber reiner Durchsetzbarkeitsjargon fern jeder Relevanz in der wahren Welt.