Autor: Dr. Heinz-Jürgen Althoff
Medium: WirtschaftsWoche
Datum: 20.09.2016

Projekte verzögern sich, Angebote gehen fehlerhaft an Kunden oder Produkte erfüllen die Erwartungen nicht. Meist hapert es an den Schnittstellen zwischen Abteilungen, Unternehmen, Ländern. Gehen Sie auf Fehlersuche.

Manche Fehler im Unternehmen lassen sich nicht sofort erklären: Warum gehen immer wieder Angebote mit falschen Angaben an den Kunden? Projekte werden nicht rechtzeitig abgeschlossen, Produkte entsprechen nicht den Anforderungen. Dabei sind alle beteiligten Mitarbeiter erfahren und bestens qualifiziert. Aber auch ein Top-Elektrorasierer aus Deutschland lässt sich in Großbritannien nicht an das Stromnetz anschließen, weil der Stecker nicht in die Steckdose passt. Die Schnittstelle stimmt einfach nicht.

Auch in einer Unternehmensorganisation gibt es Schnittstellen, zwischen Abteilungen, Mitarbeitern, Mitarbeiter und Maschine – dort, wo Ergebnisse und Informationen von einem Teilprozess zum nächsten übergeben werden. Hier können Fehlerquellen liegen. Dann hakt es womöglich im Ablauf, auch wenn jeder für sich korrekt gearbeitet hat.

Menschliche Fehler sind schwierig aufzuspüren

Wer je einen Wackelkontakt in einem Stromkreislauf gesucht hat, weiß, wie mühsam, ja nervenaufreibend das sein kann. Und doch ist eines sicher bei technischen Schnittstellen: Sie funktionieren streng nach physikalischen Gesetzen. Wenn etwas nicht klappt, muss irgendwo ein Fehler sein, der sich beheben lässt. Anders als bei rein technischen Schnittstellen spielt bei den organisatorischen Schnittstellen der Faktor Mensch eine Rolle. Mit all seinen Vor- und Nachteilen: er denkt mit, passt sich an, bessert nach, kümmert sich und kompensiert so die eingebauten Fehler. Aber er macht auch Fehler, reagiert nach persönlicher Befindlichkeit, hat Vorlieben und Schwächen.

So sind die Produkte, die Entwicklungsingenieur Müller konstruiert, vielleicht rentabler als die seines Kollegen Schwarz, weil .Herr Schwarz seinen Gegenspieler in der Produktion kaum kennt. Herr Müller dagegen grillt regelmäßig mit seinem Pendant und tauscht dabei wichtige Informationen aus.

Die Gesetze, nach denen menschliche Schnittstellen funktionieren, sind nicht so eindeutig wie in der Physik. Wer hier den Fehler sucht, tut sich ungleich schwerer. Noch dazu, wo die Mitarbeiter an den Schnittstellen vielleicht alles tun, damit der Fehler ihre Arbeit nicht stört – oder ihn im schlimmsten Fall für eigene Ziele ausnutzen.

Die einfachen, aber genauen Methoden der Ingenieure helfen auch in Organisationen, um Schnittstellen präzise zu definieren und in der Folge Abläufe zu verbessern. Drei Ansätze bieten sich besonders an:

Details erkennen

Wer eine genaue Abfolge von Handlungen zur Lösung einer Aufgabe oder eines Organisationsablaufs – „Tue zuerst dies, danach das, wenn dieses eintritt, dann A, sonst B“ – notiert, sieht schnell, wo etwas nicht passt. Dafür müssen sich Unternehmen jedoch die Mühe machen, ein komplettes Flussdiagramm mit allen notwendigen Schritten, Entscheidungen, Verantwortlichem und sonstigem Wichtigen zu erstellen.

Überblick gewinnen

Ein Blockdiagramm nutzt vor allem dann, wenn es um die übergeordnete Perspektive oder um große Systeme geht. Es hilft, Entscheidungswege – analog zu Regelkreisen – im Unternehmen zu untersuchen und festzustellen, ob diese Regelkreise zu groß oder zu komplex sind. Etwa dann, wenn zu viele Stellen eine Genehmigung erteilen müssen, bevor ein Angebot erstellt wird. Wird das Diagramm unübersichtlich, ist auch die Organisation zu umständlich.

Mögliche Fehler absehen

Die „Failure Mode and Effects Analysis“ (FMEA) oder „Fehlermöglichkeits- und Fehlereinflussanalyse“, dient dazu, die Zuverlässigkeit von Produkten und Auswirkungen möglicher Fehler mit Wahrscheinlichkeiten zu bewerten. Wer bereits ein Flussdiagramm aufgesetzt hat, kann die FMEA relativ einfach ergänzen. Zu jedem Prozess kommen die Fragen: Was kann schiefgehen, wie können wir den Fehler vermeiden, wie erkennen wir Fehler? Je nach Bewertung lassen sich Vermeidungs- und Erkennungsmechanismen einbauen – wie in der Technik getrennt nach Bedeutung, Auftretens- und Erkennungswahrscheinlichkeit.

Mit diesen aus der Technik ausgeliehenen Methoden lassen sich die Abläufe in einem Unternehmen mit derselben Präzision analysieren und verbessern wie technische Prozesse. Die Kreativität der Mitarbeiter soll dabei aber nicht durch übermäßige Regelung leiden. Die Kunst besteht darin, die deterministischen, sich wiederholenden Prozesse technisch zu definieren, und die kreativen Prozesse flexibel zu belassen. Und die einen von den anderen zu unterscheiden.

Dr. Heinz-Jürgen Althoff

Dr. Heinz-Jürgen Althoff kommt aus einer Kaufmannsdynastie – er ist Urenkel des gleichnamigen Warenhaus-Gründers (später Karstadt). Das war ihm jedoch zu „unsolide“, wie er selbst sagt, und so wurde er Ingenieur. Nach vielen Jahren im Beruf wurde ihm der menschliche Faktor immer wichtiger und so nennt er sich als Interim-Manager heute „Sozialarbeiter für Ingenieure“.

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